Hellac 185
Industrie
Als es den Industriebetrieb an der Emmerstedter Straße schon
längst nicht mehr gab, wohnten die Leute immer noch „in der Glashütte“. Der
Fabrikbesitzer Wilhelm Hampe jun. hatte sie 1890/91 gegründet. Zu dem Gelände
gehörte auch der ehemalige jüdische Friedhof, dessen Boden aus Quarzsand
bestand.
Am Schwarzen Berg an der Emmerstedter Straße wurde der
jüdischen Gemeinde im Jahr 1813 auf deren Bitte ein Begräbnisplatz zugewiesen.
Jahrzehnte später ergaben sich finanzielle Probleme wegen der Einfriedung, die
geplante Mauer war zu teuer. Nach Verhandlungen mit der Stadt erhielt die
Gemeinde ab 1892 einen neuen Friedhof an der Magdeburger Straße.
Wilhelm Hampe war der Enkel des Knopfmachers Andreas Ludwig
Hampe, auf den die Anfänge der Spinnerei Hampe zurückgehen. Wilhelm Hampe stand
nach dem Tod seines Vaters an der Spitze der Spinnerei. Die Gründung der
Glashütte brachte ihm jedoch kein Glück. So wurde eine große Liefrung von
Flaschen, für England bestimmt, vom Kunden nicht angenommen, weil das Glas
verfärbt war. Hampe geriet immer tiefer in finanzielle Schwierigkeiten und nahm
sich am 30. März 1892 das Leben.
Er rettete damit allerdings die Fabrik an der Emmerstedter
Straße, denn mit der fällig gewordenen Lebensversicherung konnte die
wirtschaftliche Notlage behoben und die Glasproduktion fortgesetzt werden. In
der Helmstedter Glashütte wurde zunächst mundgeblasenes Tafelglas hergestellt,
sogenanntes Hohlglas.
Durch die große Konkurrenz ging der Absatz an Tafelglas
immer mehr zurück, so dass nun die Herstellung von Fensterglas zum Schwerpunkt
der Produktion wurde. Nach der Vergrößerung und Modernisierung des Unternehmens
nach 1900 und einer Umwandlung zunächst in eine GmbH und dann in eine
Aktiengesellschaft, wuchs die Glashütte zu einem Großbetrieb mit 200
Beschäftigten.
Trotz aller Bemühungen war der wirtschaftliche Untergang des
Betriebes aber nicht zu verhindern, die Konkurrenz erwies sich als übermächtig.
Ende Dezember 1930 wurde der Schmelzofen gelöscht.
In der Folgezeit gab es immer wieder Initiativen zu einer
Wiederaufnahme der Glasproduktion, weil von Fachleuten der Standort aus
mehreren Gründen als äußerst günstig eingeschätzt wurde. Im Helmstedter
Stadtarchiv gibt es eine dicke Akte mit der Bezeichnung „Bestrebung zur
Wiederinbetriebnahme der Helmstedter Glashütte 1930 bis 1951“. In dieser Akte
ist ein umfangreiches Gutachten erhalten über das Glassandvorkommen an der
Emmerstedter Straße, dessen besondere Qualität hervorgehoben wird.
Es gab Kaufinteressenten, es wurde verhandelt, geschrieben,
telegraphiert, und das Gebäude wurde häufigbesichtigt und immer als sehr gut
befunden, zumal auch ein Bahnanschluss vorhanden war. Trotz aller Bemühungen
konnte die Glashütte nicht zu neuem Leben erweckt werden.
1943 übernahm die Helmag das Gelände.
Für die Lutherwerke in Braunschweig wurden an der Emmerstedter Straße nun
Flugzeugteile produziert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann man mit
der Herstellung von Küchenherden. Mitte Dezember 1945 musste die Produktion auf
veranlassung der Militärregierung eingestellt werden.
Schließlich übernahm die Hellac –
Helmstedter Lack- und Chemische Fabrik GmbH – den Komplex der alten Gebäude.
Als auch dieser Betrieb seine Produktion vor einigen Jahren einstellte, wurden
sämtliche Fabrikationsgebäude und auch die Wohnkolonie der Glashütte
abgerissen. Nur das ehemalige verwaltungsgebäude der Hellac ist stehen
geblieben. Im Jahr 1931 schrieb eine Helmstedter Zeitung „Nach Ansicht von
Fachleuten wurde das Glas der Helmstedter Glashütte als das beste deutsche Glas
bezeichnet.“
Quelle: Braunschweiger Zeitung/Helmstedter Nachrichten (24.
November 2009)